Trümmerfeld nach dem Einsturz einer Wand

Standsicherheit

Standsicherheit – Grundvoraussetzung für ein Bauwerk

Wer sich ein Bauwerk erstellen lässt, möchte dieses auch gefahrlos nutzen können. Dieser selbstverständlich erscheinende Wunsch nach einem sicheren Bauwerk ist seit mehr als 4000 Jahren in Vorschriften und Gesetzen verankert. Der Begriff Standsicherheit drückt dabei aus, dass das Bauwerk mit ausreichenden Reserven gefahrlos seine Funktion erfüllt.

Standsicherheit – Wie sicher ist sicher?

Trotz aller Sicherheitsüberlegungen sind immer auch Szenarien möglich, in denen das Bauwerk nicht mehr standsicher ist. In das Spannungsfeld zwischen Sicherheit, Realisierbarkeit und Wirtschaftlichkeit greift der Staat regulierend ein. In Deutschland bestimmen die Länder über die Landesbauordnungen und die „Eingeführten technischen Baubestimmungen“, welche Regelwerke zu beachten sind.

Dabei liegen sowohl der deutschen, als auch der europäischen Normung statistische Überlegungen (Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen) zugrunde. Man betrachtet einerseits die Einwirkungen. Dies sind vor allem die Belastungen, denen ein Gebäude ausgesetzt ist, wie etwa Wind, Schnee, die Möblierung oder auch das Fahrzeuggewicht in einer Parkgarage. Andererseits sind die Widerstände im Fokus. Hier geht es insbesondere um die Baustofffestigkeiten.

Um einen genügend großen „Sicherheitspuffer“ erreichen zu können, werden die voraussichtlich eintretenden Beanspruchungen um einen Last-Sicherheitsfaktor erhöht. Auf der Baustoffseite werden die üblicherweise erreichbaren Festigkeiten um einen Material-Sicherheitsbeiwert vermindert. Vereinfacht ausgedrückt, nimmt man mehr Lasten an, als geplant sind, und eine schlechtere Baustoffqualität, als üblicherweise erreicht wird.

Nicht immer sind die Lastgrößen konstant und Baustoffenbeschaffenheiten gleich. Haben Baustoffe ein sehr unterschiedliches Festigkeitsverhalten (z. B. Natursteine), kann die Sicherheit eine Reduktion der Belastbarkeit bis etwa um die Hälfte bedeuten. Sind hingegen Materialien sehr gut bekannt und in der Herstellung genau kontrolliert – wie etwa Stahl – kann auch auf zusätzliche Sicherheiten verzichtet werden.

Standsicherheit – rechnerisch sicher

Während viele große Bauwerke des Mittelalters hauptsächlich durch die Erfahrung der Baumeister realisiert werden konnten, werden heute auch komplexe Gebäude durch Berechnungen (statische Nachweise) erfasst. Zwar sind Berechnungen immer eine Abstraktion der Wirklichkeit und damit nie eine vollständige Abbildung der Realität, aber dennoch ermöglichen die stetig verfeinerten Berechnungsmethoden und das Wissen der Bauingenieure eine sehr gute Vorhersage der erforderlichen Bauteilgüten und -größen.

Diese rechnerischen Nachweise werden auch in den Bauordnungen der Länder für Bauvorhaben verlangt. Dabei wird in Bayern bei einfachen Bauwerken und einer entsprechenden Eignung der Planer nicht überprüft, ob die Nachweise vorhanden und richtig sind. Bei schwierigeren Bauwerken oder Gebäuden, die für große Menschenansammlungen gedacht sind, muss nach dem „Vieraugenprinzip“ von einem zugelassenen Prüfsachverständigen oder Prüfingenieur die Richtigkeit bestätigt werden. So wird sichergestellt, dass sich Fehler nicht zu Katastrophen entwickeln und Sicherheit Vorrang gegenüber der Wirtschaftlichkeit hat.

Ab wann die erforderlichen Prüfungen durchzuführen sind, wird über einen Kriterienkatalog bestimmt, der zusammen mit dem Bauantrag bei den Behörden einzureichen ist.

 

Trümmerfeld nach dem Einsturz einer Wand

Trümmerfeld nach dem Einsturz einer Wand

 

Standsicherheit – bis in den Boden

Unter der Standsicherheit eines Bauwerks versteht man nicht nur, dass das Gebäude selbst „stabil“ ist, sondern auch, dass es sicher auf dem Boden steht. Zwar ist der schiefe Turm von Pisa eine Touristenattraktion, aber welcher Bauherr wünscht sich das von seinem Eigenheim?

Was selbstverständlich erscheint und doch eigentlich Aufgabe der Planer sein sollte, hat jedoch für den Bauherrn auch Tücken. In der Regel werden Tragwerksplaner (Statiker) im Zuge ihrer Planung eine Bodenerkundung vorschlagen. Gerade bei kleineren Bauvorhaben lehnen dies die Bauherrn oft mit Hinblick auf die zu erwartenden Kosten ab. Was sich jedoch wenig Bauherrn bewusst machen, den Boden – oder in der Fachsprache: Baugrund – bringt der Bauherr mit seinem Grundstück in die Planung ein. Es liegt in seinem Verantwortungsbereich, den Planern die richtigen Angaben zu liefern.

Standsicherheit – aus Erfahrung

Was kann ein Bauherr erwarten, wenn er ein Bauwerk in Auftrag gibt? Nur die Einhaltung der vertraglich festgelegten Leistung und die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Bauregeln? Das wäre ein sehr weiter Rahmen, der möglicherweise nicht ausreichen würde, das Sicherheitsniveau zu erreichen, das wir als selbstverständlich erachten.

Hier kommt die Erfahrung ins Spiel. Über die Zeit hinweg haben sich Bauweisen entwickelt, von denen man weiß, dass sie sowohl theoretisch, als auch praktisch richtig sind und sich bewährt haben. Man nennt solche Vorgehensweisen „anerkannte Regeln der Technik“. Sie bedürfen keiner besonderen Norm oder Vorschrift. Von ihnen darf nur abgewichen werden, wenn (z. B. bei neuen Baustoffen) eine ausreichende Prüfung und Abwägung vorgenommen wurde.

Ebenso kann ein Bauherr darauf vertrauen, dass er – auch wenn vertraglich keine Vorgaben zur Ausführung gemacht wurden – eine Qualität erhält, wie sie auch bei anderen Bauvorhaben normalerweise erreicht wird. Hier spricht man von der „üblichen Ausführungsqualität“.

Standsicherheit – das Risiko minimierend

Neben den Eigentümern und der Allgemeinheit haben auch Versicherungen den Wunsch, ihr Risiko minimiert zu sehen. Will man einen Versicherungsschutz für das eigene Bauwerk haben, ist man letztlich auch gezwungen, die Vorgaben der Versicherungen zu erfüllen. Ein Beispiel hierfür sind die „Sturmklammern“. Die Windsogsicherung für Dachsteine wurden zwar in die Fachregeln des Dachdeckerhandwerks aufgenommen, waren damit aber nicht automatisch den anerkannten Regeln der Technik zuzuordnen. Andererseits machten Versicherer auch deutlich, dass sich die Nichteinhaltung der Regel bei der Regulierung möglicher Schäden nachteilig auswirken könnte.

Standsicherheit – ohne Alternative!

An dem seit jeher bekannten Ziel eines sicheren Bauwerks hat sich über die Jahrtausende nichts geändert. Eigentümer, Bauschaffende und Gesetzgeber haben hier gleichlautende Interessen. Und dennoch kann es sowohl bei Neu-, als auch bei Bestandsbauten zu Problemen kommen, bei denen Zweifel an der Standsicherheit des Gebäudes aufkommen.

Um so wichtiger ist dann ein umgehendes Handeln. Je nach Art und Umfang des Problems sollte kurzfristig ein Tragwerksplaner oder ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger eingeschaltet werden, der zur weiteren Vorgehensweise beraten und Lösungswege aufzeigen kann.

 

Teileinsturz eines Gebäudes

Teileinsturz eines Gebäudes

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