Verformungen einer Pfette

Verformungen im Bauwesen

Arten der Verformungen

Wenn im Bauwesen von Verformungen die Rede ist, sind üblicherweise keine verbogenen Rollläden oder verschobene Dachziegel gemeint. Mit Verformungen werden die lastbedingten Bauteildurchbiegungen, die Längenänderungen unter Temperatureinfluss, aber auch die Größenänderungen durch Quellen und Schwinden bezeichnet. Also Veränderungen von Bauteilen, die – so beschreibt es die Norm DIN EN 1990 – das Erscheinungsbild, das Wohlbefinden der Nutzer oder die Funktionsfähigkeit des Tragwerks bzw. der Installation gefährden.

Wenn Verformungen Gebrauchstauglichkeit einschränken

Da Verformungen, seien sie auch noch so klein, nicht vermeidbar sind, wird das Augenmerk auf die Änderungen gelegt, die sich für die geplante Nutzung des Bauwerks ergeben. Biegt sich beispielsweise ein Fenstersturz so weit durch, dass sich anschließend das Fenster nicht mehr öffnen lässt, wird hier eindeutig die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt. Anders verhält es sich, wenn sich etwa ein Sparren im nichtzugänglichen Dachraum einer Garage im gleichen Maße durchbiegt. Hier ist weder die Funktionsfähigkeit, noch das Aussehen beeinträchtigt. Oder eine Massivholzdecke vergrößert sich durch Wasseraufnahme (das Holz quillt) und beschädigt durch die Vergrößerung an den Außenwänden den Putz. Wenn sich die genannten Beispiele auch sehr abstrakt anhören, so geben sie leider doch tatsächliche Begebenheiten wieder.

Kann man Verformungen vorhersagen?

Wenn doch durchaus erhebliche Schäden durch Verformungen entstehen können, warum vermeidet man sie nicht schon bei der Planung? Was sich als durchaus berechtigte Frage anhört, gestaltet sich in der Praxis schwierig. Die Ursachen für Formveränderung können vielfältig sein. Die rechnerische Vorhersage der im Endzustand erreichten Verformung ist damit von der Kenntnis aller Parameter abhängig.

Bei Bauteilen aus sehr homogenen (gleichmäßig aufgebauten) Baustoffen, wie etwa Stahl, ist die Berechnung sehr zielgenau möglich. Auch die Verformung von Holz, besonders die Durchbiegungen bei Belastung, können in bestimmten Grenzen gut angenähert werden. Die Schwankungen im Ergebnis sind jedoch deutlich höher, da das Verformungsverhalten auch sehr stark vom Wuchs des einzelnen Holzes abhängt. Noch komplizierter sind die Zusammenhänge bei Stahlbeton zu verstehen. Im unbelasteten oder mit sehr geringen Lasten beanspruchten Zustand verhält sich der Betonkörper noch relativ homogen. Bei größeren Lasten reißt er jedoch an der zugbeanspruchten Seite auf, um die Tragwirkung des eingelegten Stahls aktivieren zu können. Da die Art und die Größe der Rissbildung nur über statistische Ansätze abgeschätzt werden kann, wird das Ergebnis entsprechend ungenau. Wirken mehrere Bauteile bei einem Tragwerk zusammen, können sich zusätzliche Verformungen an den Verbindungsstellen der Bauteile ergeben.

Zwar könnte man bei der Auslegung der Bauteile grundsätzlich etwas „stabiler“ bzw. steifer konstruieren, das würde aber wiederum Verschwendung von Ressourcen und auch höhere Kosten bedeuten.

 

Verformte Stützwand

Stark geneigte (verformte) Grenzstützwand

 

Welche Verformungen muss man akzeptieren?

Wie schon erläutert, sind Einschränkungen in der Verwendbarkeit oder gar Schäden aus Verformungen nicht akzeptabel. Da die Bewertung des Aussehens sehr subjektiv ist, ist es sinnvoll, bereits bei Beginn der Planung die eigenen Vorstellungen klar zu formulieren. Die meisten Bemessungsnormen enthalten Empfehlungen, es gibt aber wenig verbindliche Vorgaben für maximale Durchbiegungen oder Verformungen allgemein. So entspräche etwa 1 cm Durchbiegung einer Holzbalkendecke bei einer Raumbreite von 3 m den Empfehlungen der Holzbaunorm DIN EN 1995-1-1/NA. Im zuvor genannten Garagendach dürften es dann 1,5 cm sein. Dies betrifft jedoch nur den Anfangszustand nach Fertigstellung des Bauwerks. Werden Bauteile aus Holz oder Beton dauerhaft belastet, so biegen sie sich über längere Zeit noch weiter durch.

Um Enttäuschungen zu vermeiden, bietet es sich an, bei der Planung dieses Thema mit dem Tragwerksplaner zu diskutieren. Eine Abwägung, nicht zuletzt im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit ist hier erforderlich. Sofern Sie Unterstützung bei der Auslegung oder bei der Bewertung vorhandener Verformungen brauchen, sollten Sie sich an einen geeigneten Sachverständigen wenden. Dieser kann Ihnen unabhängig die Möglichkeiten und Grenzen erläutern.

 

Durchgebogene Dachplatten; abgenommener Dachaufbau zur Untersuchung der Ursachen

Untersuchung von stark durchgebogenen Dachplatten

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