Riss durch Vibrationen

Schädliche Vibrationen durch Straßenbaustelle

Schädliche Vibrationen durch Straßenbaustelle!

Beinahe so oft, wie über schlechte Straßen genörgelt wird, wird über die Beeinträchtigungen durch Straßenbaustellen lamentiert. Nicht nur die Einschränkungen durch gesperrte oder geänderte Straßenführungen sind dabei das Problem, sondern die Vibrationen und Erschütterungen des Eigenheims infolge der schweren Baumaschinen. Wenn die Gläser im Schrank klirren und der Boden in der Wohnung bebt, da müssen doch Schäden an der Bausubstanz entstehen. Oder etwa nicht?

Sind Vibrationen immer zu schädlich?

Besonders unangenehm empfinden Anlieger einer Straßenbaustelle Vibrationen. Meist werden diese durch Verdichtungsgeräte, wie z. B. Walzen, hervorgerufen. Ob und wie weit sich diese Einwirkungen im Boden bis zu angrenzenden Gebäuden auswirken, hängt von mehreren Faktoren ab. Einerseits ist von Bedeutung, mit welcher Intensität und Folge die Verdichtung erfolgt. Ob diese Vibrationen im Boden „verpuffen“ oder weitergetragen werden, hängt wiederum von der Zusammensetzung des Untergrunds ab. Wie bei einem Pudding wird ein weicher und elastischer Boden die Energie eher absorbieren und nur in sehr begrenztem Umfang weiterleiten. Ein sehr starrer Boden, wie z. B. Fels, kann die Erschütterungen jedoch sehr gut auf entferntere Stellen übertragen. Schließlich ist nicht nur der „Sender“ (z. B. Rüttelwalze) der Vibrationen und das „Übertragungsmedium“ (Baugrund), sondern auch der „Empfänger“ (eigenes Gebäude/Wohnung) ein Bestandteil dieser Betrachtung. Sehr massive Bauwerke verhalten sich anders als sehr leichte. Durch viele Wände ausgesteifte Gebäude nehmen Vibrationen anders auf als filigran gebaute Eigenheime. Dabei gibt es kein gut oder schlecht, sondern das Zusammenwirken der drei Komponenten. Massive und steife Gebäude reagieren zumeist kaum auf sehr schnelle (hochfrequente) Einwirkungen, wohingegen filigrane bzw. leichte Bauwerke eher für langsame (niedrigfrequente) Einwirkungen unempfindlich sind.

Sind schädliche Vibrationen wahrnehmbar?

Sind also klirrende Gläser ein Maßstab für mögliche Schäden am Gebäude? Diese Frage kann man definitiv mit „Nein“ beantworten. Wenn Gläser im Schrank klirren, so ist das ein Zeichen dafür, dass die Vibrationen auf den Schrank „übertragen“ werden und die Gläser aneinander stoßen. Der Schrank wird also selbst zum „Schwingen“ gebracht. In der Fachsprache spricht man von einer Erregerfrequenz, die nahe an der Eigenfrequenz des Empfängers liegt.

Warum ist aber das kein Indiz für Schäden am Bauwerk? Die Eigenfrequenzen von Bauwerken liegen üblicherweise deutlich tiefer, als die von Möbeln. In einem stark vereinfachten Vergleich kann man für Bauwerke, gebaut auf Böden mit mittlerer Steifigkeit, Eigenfrequenzen im Bereich von ca. 8 Hz (höhere Gebäude) bis ca. 15 Hz (z. B. Einfamilienhaus) annehmen. Schränke – auch hier wieder abhängig von der Bauart – liegen bei etwa 50 Hz bis 60 Hz. Die Gläser selbst haben übrigens eine deutlich höhere Eigenfrequenz, die z. B. für Weingläser bei etwa bei 700 Hz liegen kann.

Wird das Bauwerk nicht durch Schwingungen im Bereich der Eigenfrequenz(en) angeregt, so entstehen üblicherweise auch keine Schäden.

Kann aber die gespürte Vibration ein Kennzeichen für schädliche Einwirkungen auf Gebäude sein? Auch hier ist die Frage zu verneinen. Die durch den menschlichen Tastsinn wahrgenommenen Schwingungen werden individuell sehr unterschiedlich empfunden. Dabei spielen nicht nur die Umgebungsbedingungen und die eigene körperliche Verfassung eine Rolle, sondern auch einige andere Aspekte.

Wichtig: Hier werden nur Vibrationen von benachbarten Baustellen – wie etwa einer Straßenbaustelle – betrachtet. Für Erdbeben sind zusätzliche/andere Betrachtungsweisen erforderlich.

 

Riss durch Vibrationen

Schwere Verdichtungsgeräte und ungünstige Bodenverhältnisse können zu Rissen in Bauwerken führen

 

Nachweis von schädlichen Vibrationen

Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass subjektive Wahrnehmungen nicht für eine Beurteilung geeignet sind. Wie können also zuverlässig vorherrschende Vibrationen bzw. Schwingungen bewertet werden? Hierfür stehen Messeinrichtungen zur Verfügung, die im Gebäude aufgestellt werden und über dreiaxiale Beschleunigungsaufnehmer die Schwingungen und die Auslenkungen dokumentieren. Anhand der Messkurven können schädliche Einwirkungen erkannt werden.

Da Messgeräte, die den erforderlichen Frequenzbereich messen können, sehr teuer sind, deren richtige Handhabung Spezialwissen erfordert und diese zudem während der gesamten Baumaßnahme installiert sein müssten, wird dieser Weg der Kontrolle sehr selten beschritten.

Bewährt hat sich hingegen die „Beweissicherung“ der zur Baustelle angrenzenden Nachbargebäude. Hier wird durch einen unabhängigen Sachverständigen der Zustand des Gebäudes vor der Baumaßnahme dokumentiert und bei vermuteten Schäden während und nach der Baumaßnahme ein Vergleich durchgeführt.

Empfehlungen für Ausführende und Betroffene

Sofern nicht ungünstige Rahmenbedingungen vorliegen, haben Baumaßnahmen in der Nachbarschaft (ob Straßenbaustelle oder ein neues Nachbargebäude) selten einen schädlichen Einfluss auf bestehende Gebäude. Dies liegt einerseits daran, dass die Maschinenhersteller bereits bei der Auslegung der Geräte kritische Frequenzen vermeiden. Andererseits haben sich auch Baumethoden etabliert, die ein entsprechendes Risiko minimieren.

Dennoch empfiehlt es sich sowohl für den Bauherrn als auch für die Anlieger, vor Beginn der Baumaßnahme eine vorsorgliche Beweissicherung erstellen zu lassen. Diese schützt einerseits den Bauherrn vor unberechtigten Forderungen, aber auf der anderen Seite auch die Anlieger vor langen Streitigkeiten im Schadensfall.

Zwar lassen sich auch nachträglich durch entsprechend geeignete Fachkräfte (z. B. öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige) sehr häufig die Schadensursachen für neue Rissbilder feststellen, der hierfür erforderliche Aufwand ist jedoch ungleich höher als bei einer vorherigen Dokumentation. Neben Vibrationen können die schädlichen Einflüsse auf Nachbarbebauungen auch andere Ursachen haben. Eine Beweissicherung sollte daher immer in Erwägung gezogen werden.

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