Toleranzen im Bauwesen

Toleranzen – Begriff

Als Toleranzen bezeichnet man im Bauwesen die Abweichungen der Form oder Größe von einzelnen Bauteilen oder ganzen Bauwerken gegenüber der Planung. Die Toleranzen können sich dabei auf die Ebenheit einer Fläche (z. B. Estrich, Putz) oder Geradlinigkeit (z. B. Balken, Wandkanten) beziehen. Auch Längenmaße wie beispielsweise Tür- bzw. Fensteröffnungen oder Winkelmaße können Toleranzen aufweisen.

Ursache und Auswirkungen von Toleranzen

Äußere Einflüsse auf den Herstellungsprozess, wie zum Beispiel wechselnde Klimaverhältnisse, nicht konstante Werkstoffqualitäten, aber auch die handwerkliche Ausführungsqualität ergeben im fertigen Produkt unvermeidliche Differenzen zwischen dem angestrebten Sollmaß (oder auch Nennmaß) und dem tatsächlichen erreichten Istmaß.

Technisch bedeutsam werden solche Abweichungen dann, wenn mehrere Bauteile aneinander gefügt werden sollen, wie etwa Bodenfliesen auf den Estrich oder Fertigteildecken auf das Mauerwerk. Maßabweichungen können jedoch auch die Nutzbarkeit der fertigen Leistung betreffen. Wird beispielsweise der Holzterrassenbelag mit größeren Höhenunterschieden ausgeführt, ergeben sich Stolperstellen. Haben fertige Oberflächen auffällig sichtbare Abweichungen zu den Sollmaßen, ist auch das gesamte Erscheinungsbild des Bauteils oder Bauwerks betroffen.

Anzuwendende Grenzwerte

So unvermeidbar Abweichungen sind, gibt es dennoch Grenzen, die bei einer handwerklich üblichen Ausführung nicht überschritten werden sollten. Allgemeinverbindliche Regeln hierfür gibt es jedoch nicht. Im Idealfall werden die gewünschten Grenzwerte im Rahmen der Beauftragung vertraglich vereinbart. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn hohe Anforderungen an das optische Erscheinungsbild gestellt werden.

Zur Thematik der Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Gewerken wurde durch das deutsche Institut für Normung e.V. die Norm DIN 18202, Toleranzen im Hochbau – Bauwerke verfasst. Es ist bei deren Verwendung jedoch zu bedenken, dass sie keine Vorschrift darstellt, sondern allenfalls als allgemein anerkannte Regel der Technik gelten kann. Die Norm ist nicht für die Bewertung von Höhenversätzen zwischen benachbarten Bauteilen oder zur Beurteilung des Aussehens gedacht.

Auch wenn die Toleranz-Norm ausschließlich für Passungsfragen gedacht ist, kann sie auch bei einer fachlichen Bewertung von Fertigoberflächen als Maßstab herangezogen werden, um die üblicherweise erzielbare Ausführungsgenauigkeit einordnen zu können.

Neben der DIN-Norm gibt es jedoch eine Reihe weiterer Regelwerke, die Aussagen zu Maßabweichungen treffen. Bei der oben angeführten Holzterrasse lohnt beispielsweise ein Blick in die Fachregel des Zimmererhandwerks 02 – Balkone und Terrassen. Für den Bereich des Maurer-/Betonbauerhandwerks finden sich Erläuterungen und Hinweise im umfangreichen Merkblatt Toleranzen vom Zentralverband des deutschen Baugewerbes. Aber auch bereits in den Fachnormen der Planung (z. B. Eurocodes) sind zulässige Abweichungen und Ausführungsgrenzen enthalten.

Bewertung von Toleranzen

Die Auswahl der richtigen Vorschrift zur Beurteilung von Toleranzen bedarf einer grundlegenden Fachkenntnis. Aber auch die Bewertung des Messergebnisses vor Ort ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. So sind Verformungen, die durch Einflüsse von Belastung, Feuchte/Temperatur und Zeit entstehen ebensowenig durch die DIN 18202 erfasst, wie konstruktiv vorgesehenen Überhöhungen. Diese Art von Abweichungen werden unter dem Begriff Vorverformungen zusammengefasst und sind getrennt zu betrachten.

Sollte es unterschiedliche Ansichten über eine erbrachte Ausführungsqualität geben, empfiehlt es sich, frühzeitig einen sachkundigen Berater hinzuzuziehen. Die Handwerkskammern (z. B. www.hwkno.de) bieten auf ihren Internetseiten Suchfunktionen, mit der man öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für das jeweilige Fachgebiet finden kann. Überregional wird vom deutschen Handwerk das Sachverständigen-NAVI zur Verfügung gestellt. Neben der Internetsuche auf dem PC gibt es hier auch entsprechende Apps für die jeweiligen Mobilgeräte.

Empfehlung zur Maßgenauigkeit

Klare Verhältnisse werden geschaffen, wenn schon beim Vertragsabschluss die Genauigkeit der Ausführung geregelt wird. Spätere Streitigkeiten werden damit meist zuverlässig vermieden. Besondere Anforderungen, wie beispielsweise besondere Ebenflächigkeit zur Aufstellung von Präzisionsmaschinen oder eine exklusive Qualität der sichtbaren Oberfläche sollten schriftlich vereinbart werden.

Bestehen nach erfolgter Ausführung unterschiedliche Auffassungen zur Qualität, sollte möglichst frühzeitig, jedenfalls aber vor einem Baufortschritt der Folgegewerke, die Leistung erfasst und dokumentiert werden.

 

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