Schnee

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Schnee – Glitzernde Pracht oder tödliche Last?

Verschneite Landschaft, lange Eiszapfen an den Dachrändern, funkelnde Eiskristalle, was den Wintersportler freut, entwickelt sich für Hausbesitzer manchmal zum Alptraum. Die Bilder der 2006 in Bad Reichenhall eingestürzten Eissporthalle haben sicherlich noch viele vor Augen. Im gleichen Winter wurden auch viele Dächer im Bayrischen Wald vom Schnee geräumt. Auch im Dezember 2010 wurden in Teilen von Sachsen aktiv die Dächer von Schnee befreit. Der Januar 2019 brachte für das südliche Bayern große Schneemengen, so dass auch hier unter Mithilfe von Feuerwehren, Technischem Hilfswerk und Bundeswehr Gebäudedächer geräumt oder der Zutritt zu den Bauwerken gesperrt wurde.

Woran liegt es, dass in manchen Wintern vor einstürzenden Dächern gewarnt wird, in anderen aber niemand ein Wort darüber verliert?

 

Was wiegt Schnee?

Die Kinder wissen es. Pulverschnee ist so leicht wie Staub, aber nasser Schnee, mit dem man Schneemänner baut, ist schwer. Messungen haben ergeben, dass das Gewicht von Neuschnee bei etwa 100 kg je Kubikmeter liegt. Mit nassem Altschnee werden etwa 500 kg erreicht und Schnee-Eis liegt bei etwa 900 kg je Kubikmeter. Der Unterschied ist enorm. Ein Meter hoher Neuschnee entspricht einer etwa 11 cm dicken Schnee-Eisschicht.

Schnee, die Last im Bauwesen.

In den Bauordnungen der Bundesländer werden über technische Baubestimmungen Mindestanforderungen an Bauwerke definiert. Für Lasten, denen ein Gebäude standhalten muss, gilt die Lastnorm DIN EN 1991-1 und speziell für die Schneelasten der Teil 3. Über langjährige statistische Auswertungen wurden in dieser Norm fünf Schneelastzonen für das Bundesgebiet festgelegt. Die Schneelast, die nun konkret bei einem Bauwerk anzusetzen ist, bestimmt sich über die Zone und die Geländehöhe über Normalnull. Damit ist klar, dass die Belastung je nach Standort variiert. So muss aktuell beispielsweise in Bad Reichenhall eine Bodenschneelast von 2,32 kN/m² (das entspricht einer Last von ca. 232 kg je Quadratmeter) berücksichtigt werden, während es in Nürnberg nur 0,65 kN/m² (das entspricht einer Last von ca. 65 kg je Quadratmeter) sind.

Leider haben sich die Vorschriften über die Jahre hinweg mehrfach verändert, so dass bestehende Bauwerke nicht die gleichen Standards haben.

Wie hoch darf der Schnee auf meinem Dach sein?

Es drängt sich die Vermutung auf, dass steile Dächer, an denen der Schnee abrutschen kann, mehr tragen können, als flache Dächer. Diese Annahme ist jedoch nicht zutreffend, da sich einerseits an Steildächern ungünstige, unsymmetrische Verwehungen ausbilden können und andererseits bei der konstruktiven Auslegung von Bauwerken auch die Lage und Form der Dächer berücksichtigt wird. Um wirtschaftlichen und bezahlbaren Wohnraum schaffen zu können, werden die Tragwerke nur für die Lasten ausgelegt, die für die Region typisch und vorgeschrieben sind.

Die sicherste Methode, Auskunft über die Belastbarkeit des Daches zu bekommen, ist ein Blick in die statische Berechnung des Gebäudes. Für ein Wohnhausdach mit 30° Dachneigung ist im mittleren Vilstal z. B. eine Schneelast auf dem Dach von 1,09 kN/m² (entspricht etwa 109 kg/m²) angegeben. Liegen auf dem Dach in diesem Beispiel 30 cm gesetzter und trockener Schnee, so ist ergibt sich 300 kg/m³ × 0,30 m = 90 kg/m², also ein Wert, der noch deutlich kleiner als der Bemessungswert ist. Sind jedoch ergiebige Schnee- oder Regenfälle angesagt, kann die Belastungsgrenze schnell erreicht werden. In diesem Fall ist die Beratung durch einen Tragwerksplaner oder einen Sachverständigen anzuraten. In kritischen Fällen ist eine Messung der tatsächlichen Schneelast geboten.

Wann wird der Schnee zur Gefahr?

Die eingangs erwähnten Winter hatten jeweils einen atypischen Verlauf. Dies kann einerseits dadurch bedingt sein, dass frühzeitig der Schneefall beginnt und über den Verlauf des Winters keine Tauperioden vorkommen, so dass die Schneehöhe kontinuierlich wächst. Ein anderer Verlauf wäre etwa ein ergiebiger Schneefall bei sehr moderaten Temperaturen, so dass nasser Schnee mit hohem Gewicht auf den Dächern liegt. In solchen Fällen informieren die Wetterdienste und Behörden über die drohende Gefahr.

Wichtig ist ein überlegtes Vorgehen in solchen Gefahrensituationen. Bevor etwaige Räumarbeiten beginnen, muss sicher sein, dass das Tragwerk noch ausreichend standsicher ist. Weiterhin ist zu beachten, wie das Dach geräumt wird. Beispielsweise kann einseitiges Räumen von Dächern zu Stabilitätsproblemen am Tragwerk führen. Die Beurteilung und die Vorgehensweise kann nur von einem Fachmann festgelegt werden.

Auf jeden Fall müssen Personen, die das Dach betreten sollen, ausreichend gesichert werden. Die Standflächen auf dem Dach sind rutschig. Etwaige Dachfenster oder Lichtkuppeln sind unter den Schneemassen nicht sichtbar. Es besteht also eine hohe Absturzgefahr.

Ist man dem Schnee hilflos ausgeliefert?

Die Antwort lautet hier eindeutig Nein. Wetterereignisse, in denen die Schneelasten die Auslegungsgrenzen der Gebäudetragwerke überschreiten, sind sehr selten. Treten sie dennoch ein, wird über die Medien gewarnt und üblicherweise auch Unterstützung durch Hilfskräfte angeboten.

Man kann aber auch dadurch Vorsorge treffen, dass das Gebäudeeigentum in funktionsfähigem Zustand ist. Dies gilt einerseits für intakte Entwässerungseinrichtungen der Dachflächen. Aber auch eine regelmäßige technische Kontrolle des Tragwerks verhindert unliebsame Überraschungen. Während solche Kontrollen der Eigenheimbesitzer in der Regel selbst durchführen kann, bietet sich für öffentliche oder gewerbliche Immobilienbesitzer ein Kontrollvorgang im Rahmen der RÜV (siehe gesonderte Beschreibung unter dem Menüpunkt „Tätigkeitsbereiche“) an.

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