Putzrisse – Schönheitsfehler oder Schaden?

Putzrisse – Grundlagen

Wie beim menschlichen Körper die Haut, umhüllt der Putz die Konstruktion eines Bauwerks. Er ist damit äußeren Witterungseinflüssen, wie etwa Niederschlag, Frost und Hitze ausgesetzt. Aber auch mechanische Einwirkungen, wie Stoßbelastungen im Rahmen der Nutzung, soll ein Putz schadlos überstehen. Ein harter Putz wäre für diese Belastungen gut geeignet.

Neben den beispielhaft genannten äußeren Einwirkungen belasten auch innere Kräfte den Putz. Bauwerkssetzungen, Durchbiegungen und Schwind- oder Quellverhalten der Tragstruktur wirken auf den Putz ein. Ähnlich wie bei der menschlichen Haut, ist eine spröde Hülle verletzlich. Je weniger elastisch ein Putz ist, umso mehr neigt er zur Rissbildung.

Der Putz soll also eine harte widerstandsfähige Haut sein. Andererseits soll er aber auch elastisch sein, um Verformungen schadlos überstehen zu können.

 

 

Putzrisse – Systematik

Die Ursache für einen Putzriss ist immer eine Überschreitung der Materialfestigkeit. In der Fachsprache sagt man auch, dass die Last- oder Eigenspannungen höher als die Zugfestigkeit des Baustoffes sind. Dabei sind die Ursachen, wie die Einwirkungen, auf unterschiedliche Zusammenhänge zurückzuführen.

Extreme Temperaturunterschiede an der Putzoberfläche, wie sie beispielsweise an einem Frühlingstag auftreten, an dem die Wandfläche stark erwärmt wird und bei einem Hagelschauer plötzlich abgekühlt wird, bewirken innerhalb des Putzes hohe Eigenspannungen. Treten dabei Risse auf, spricht man von putzbedingten Rissen. Die Ursache ist ausschließlich innerhalb des Putzaufbaus zu finden.

Im Sockelbereich von Wohnhäusern werden häufig extrudierte Polystyrol- oder Polyurethanplatten zur Dämmung verwendet. Diese Platten neigen in der ersten Zeit nach der Herstellung teilweise zu einer Volumenverkleinerung. Werden solche Platten zu früh verputzt, treten hohe Kräfte zwischen den Dämmplatten und dem Putz auf. Die Folge sind Putzrisse, die den Plattenfugen folgen. Hier spricht man von untergrundbedingten Rissen, da die rissauslösende Ursache vom Putzgrund ausgeht.

Wird ein Putz ohne Trennung über eine Bauwerksfuge hingweggeführt, ist die Ursache für den zwangsläufig entstehenden Riss in der Tragstruktur zu finden. Diese Art von Putzrissen bezeichnet man als konstruktiv bedingte Risse.

Die beispielhaft beschriebenen Risstypen deuten auf den Ort der Ursache und ihre Tiefe hin. Putzbedingte Risse betreffen nur die Putzschicht und da auch meist nur die oberflächennahe Zone. Untergrundbedingte Risse entstehen am Übergang vom Putz zum Trägermaterial und reichen durch die gesamte Putzdicke. Konstruktiv bedingte Risse sind auf die Systematik des Tragwerks zurückzuführen und setzen sich meist auch im Putzgrund fort.

 

Putzrisse und deren Auswirkung auf das Bauwerk

Bei bestimmten Putzmörtelzusammensetzungen kann die Entstehung von Mikrorissen schon bei der Herstellung vorhergesagt werden. Da diese Risse für sich gesehen jedoch weder eine optische noch technische Beeinträchtigung des fertigen Putzes darstellen, werden sie auch nicht beanstandet. Wo liegt also die „Schmerzgrenze“, ab der ein Riss ein Fehler ist?

Im optischen Erscheinungsbild geht man üblicherweise vom „Betrachtungsabstand“ aus. Das bedeutet vereinfacht, dass ein Riss, der bei der normalen Nutzung des Gebäudes nicht störend auffällt, auch kein Problem ist.

Bei der rein technischen Bewertung eines Putzrisses wird in Veröffentlichungen häufig als Grenze eine Rissbreite von 0,2 mm genannt. Der Hintergrund ist hier, dass man davon ausgeht, dass bei kleineren Rissen kein Wasser eindringen kann und damit eine Durchfeuchtung bzw. eine frostbedingte Aufweitung des Rissbildes ausgeschlossen ist. Diese Einschätzung kann leider nicht auf Putzrisse allgemeingültig angewandt werden. Vielmehr ist jeweils eine fachlich fundierte Einzelbetrachtung notwendig. Dennoch kann die Rissbreite von 0,2 mm für einen Bauherrn zur ersten Einschätzung herangezogen werden. Sind Risse mit deutlich größerer Breite vorhanden, empfiehlt sich eine Beurteilung durch eine Fachkraft, z. B. durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen.

 

Sanierung von Rissen in der Putzoberfläche

Je nach Art der Ursache stehen verschiedene Möglichkeiten der Sanierung zur Auswahl. Entscheidend für die Wahl der Methode ist, ob die rissverursachenden Einwirkungen bereits abgeklungen sind oder nachhaltig andauern.

Während ruhende Risse mit verhältnismäßig kleinem Aufwand dauerhaft geschlossen werden können, erfordern sich bewegende Risse größeren Aufwand bei der Auswahl des geeigneten Sanierungsverfahrens. Dies kann so weit führen, dass neue Fugen geschaffen werden müssen oder sogar eine Verkleidung in Betracht gezogen werden muss. Anerkannte Verfahren zur Putzsanierung wurden beispielsweise von der Wissenschaftlich-Technischen Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e.V. im Merkblatt Beurteilung und Instandsetzung gerissener Putze an Fassaden zusammengestellt.

 

Putzrisse – vermeiden!

Die beste Art der Sanierung ist, wenn man auf sie verzichten kann. Auch bei immer kürzer werdenden Bauzeiten und hochentwickelten Putzzusammensetzungen haben viele alte „Putzerregeln“ noch ihre Berechtigung.

Ein besonderes Augenmerk sollte auf einen gut vorbereiteten Putzgrund gelegt werden. Nicht nur die Haftung spielt eine wesentliche Rolle, auch die Egalisierung von Unebenheiten und die besondere Berücksichtigung von Materialwechseln im Putzgrund sind von Bedeutung. Auch bei der Auswahl des Putzsystems spielt der Putzgrund eine wesentliche Rolle.

Während des Putzens, aber auch danach, bis zum vollständigen Erhärten des Putzes, sollte der Putz vor starken Temperaturschwankungen oder zu schnellem Austrocknen geschützt werden.

Selbst Beschichtungen haben einen Einfluss auf die Langlebigkeit des Putzsystems. Besonders bei dunklen Anstrichen heizt sich die Oberfläche des Putzes sehr stark auf. Dies führt zu großen Temperaturdifferenzen und damit hohen Eigenspannungen im Putz.

Neben den beispielhaft aufgezählten Aspekten gibt es eine ganze Reihe weiterer Regeln, die der Handwerksmeister im Maurer- oder Putzerhandwerk anwendet, damit Ihr Gebäude durch eine widerstandsfähige Haut geschützt ist.

 

Weitere Fachbeiträge